Wenn die Para-Europameisterschaft vom 8. – 20. August im niederländischen Rotterdam an den Start geht, ist mit Maurin Stübi auch ein Badmintonspieler dabei, der bei uns in Beuel trainiert. Der 25-Jährige startet in allen drei Disziplinen Herreneinzel, Herrendoppel und Mixed und hat die Handivcap-Klasse „Standing Lower 3“ (SL 3). Medaillenchancen sieht der gebürtige Schweizer, der von Geburt an einer „spastischen Diplegie“ erkrankt ist, vor allem im Doppel.
Als Maurin Stübi vergangenen Sommer zum ersten Mal mit uns in Kontakt trat, wollte er eigentlich die seinerzeit vakante Stelle als Assistent der Geschäftsführung übernehmen. Das klappte zwar nicht, aber der Verein bot dem engagierten Parasportler einen Platz in der Badminton-Akademie Bonn-Beuel an. „Dieses Angebot konnte ich einfach nicht ablehnen, das hat mich total geflasht“, berichtet Maurin. Zudem wurde dem 25-Jährigen durch einen Freund die Fachhochschule in Remagen mit dem Studiengang Sportmanagement schmackhaft gemacht. Als ihm dann auch noch der Hochschulsport der Uni Bonn eine Halbtagsstelle anbot, war das Paket komplett rund und die Koffer schnell gepackt.
Seither wohnt der junge Schweizer bei uns im Rheinland, trainiert mit zahlreichen nicht beeinträchtigten Athleten in der Akademie und hat, auch im Hinblick auf die anstehenden Europameisterschaften, sein Trainingspensum gesteigert. Zusätzlich zur Physio absolviert er fünf Einheiten pro Woche, darunter auch zahlreiche individuelle Einheiten mit einem eigenen Coach. Diese wechseln regelmäßig, sind allesamt Beueler Nachwuchskräfte wie Dorian Florin Tihi, Philipp Bußler, Anna Mejikovskiy und Hendrik Stagge. „Ich bin total dankbar, dass mich die Leute hier unterstützen, es ist einfach nur genial.“
Berührungsängste gibt es derweil von keiner Seite. Tilo Mund, der sportliche Leiter der Beueler, trainiert Maurin Stübi montags in der Akademie, zusammen mit anderen, nicht behinderten Sportlern. „Wichtig ist, dass alle Seiten Verständnis aufbringen. Maurin ist außerdem ein herzensguter Mensch und mittlerweile ein Teil der Vereinsfamilie geworden.“
Denn der ehrgeizige junge Athlet engagiert sich über das normale Maß eines Spielers hinaus, erfüllt im Verein unter anderem seit einigen Monaten die neugeschaffene Funktion des Inklusionsbeauftragten. „Wir haben derzeit ein Team von Rollstuhlfahrern aus Troisdorf, die gerne dauerhaft bei uns in Beuel trainieren wollen. Das ist so eine typische Aufgabe eines Inklusionsbeauftragten“, erläutert Maurin.
Besonders beeindruckt ist Maurin in „seinem“ Verein übrigens vom Interesse der besten Spieler. „Ich bekomme Tipps von den Bundesligaspielern, was mich unheimlich weiterbringt. Wo gibt es sonst so etwas?“.
In seiner Schweizer Heimat hat Maurin Stübi ganz andere Erfahrungen gemacht. „Mich hat mal ein Verein als Spieler abgelehnt, weil ich zu schlecht war. Sowohl läuferisch als auch vom Handicap her. Das war eine Diskriminierung, ganz klar“, erinnert sich Maurin Stübi und schüttelt den Kopf.
Der 1. BC Beuel jedenfalls profitiert laut Aussage von Vorstandsmitglied Andreas Kruse von der mitreißenden Art und der umtriebigen Persönlichkeit von Maurin Stübi: „Er stößt unheimlich viele Dinge an, hat manchmal einen ganz anderen Blick auf die Dinge und kümmert sich.“ Für die künftige Rollstuhlgruppe zum Beispiel sorgte Maurin Stübi übrigens für Duschstühle: „Maurin hat dann über Recherche einen Fördertopf entdeckt und klar gemacht“, sagt Andreas Kruse.
Dass er für die Para-EM nominiert worden ist, hält Maurin Stübi derweil nicht für selbstverständlich. Denn in seinem letzten Vorbereitungsturnier in Bahrain machte Maurin, auch bedingt durch großes Lospech, keine gute Figur. In der Klasse SL 3 (standing lower 3) angetreten, hatte er beim Vorbereitungsturnier in der Wüste keine großen Chancen und schied früh aus. Er selber tritt im Einzel über das Halbfeld und zusammen im Herrendoppel mit seinem Landsmann Dominik Bützberger sowie im Mixed mit Beatriz Monteiro über das komplette Feld an. „Meine Nominierung ist ganz klar auch ein Verdienst vom 1. BC Beuel, davon bin ich überzeugt.“
Bei der Europameisterschaft würde sich Maurin freuen, wenn er in jeder Disziplin bis ins Viertelfinale kommt. Aufgrund seiner ausgezeichneten Weltranglistenpositionen (Einzel Platz 45, Doppel Platz 47, Mixed Platz 89) wird er in der Setzliste sicherlich weit oben geführt. Während die EM in Rotterdam schon am 8. August beginnt, reisen Maurin, sein Trainer und sein Doppelpartner erst am 12. August an. Bis dahin trainieren sie in Beuel zusammen Doppel. Aber egal, ob Maurin aus den Niederlanden mit einer Medaille zurückkehrt oder nicht. Klar ist, dass er bereits jetzt gewonnen hat. „Parasport kann man bis ins hohe Alter betreiben und ich habe noch viel Zeit, um vielleicht mal an der Para-WM teilzunehmen.“ Wichtig ist ihm vor allem etwas anderes: „Ich bin hier angekommen, werde ernst genommen und habe Freunde gefunden.
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